Freunde der Deutsch-Französischen Brigade
Amis de la Brigade Franco-Allemande e.V.

Die französische Luftwaffenbasis BREMGARTEN

GenMaj a.D. Helmut Neubauer

Die französische Luftwaffenbasis BREMGARTEN

 

Ungewohnte Schallwellen - die Base aérienne 136

Anfang der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde ein französischer Militärflugplatz westlich der Gemeinde Eschbach im wahrsten Sinn des Wortes auf dem Acker gebaut. Den Jüngeren unter uns, die nicht mehr Zeitzeugen sind, mag dies aus heutiger Sicht unverständlich erscheinen. Warum diese militärische Aufrüstung in der badischen Rheinebene, südlich von Freiburg, nur ein halbes Jahrzehnt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der vollständigen Auflösung aller deutschen militärischen Formationen und Verbände.

Die Gründe lassen sich nur mit einer Betrachtung der damaligen strategischen Situation im geteilten Deutschland und dem Verhältnis der Großmächte USA und Sowjetunion untereinander erklären. Sie liegen in der politischen Gesamtlage, die auch die Lebensbedingungen der Deutschen in der damaligen Zeit für mehrere Jahrzehnte prägte.

Der Weg in den Kalten Krieg

Der Krieg in Zentraleuropa war nach der totalen Niederlage der Wehrmacht und dem Waffenstillstand im Mai 1945 zwar beendet, die Vision des amerikanischen Präsidenten Roosevelt vom „Ewigen Frieden“ hatte aber nur kurzen Bestand. Nach ihrem Sieg reduzierten die Westmächte ihre Truppen in kurzer Zeit sehr drastisch, sie lösten die Masse ihrer Einheiten auf und entließen die für den Krieg eingezogenen Wehrpflichtigen wieder nach Hause; die Sowjetunion hingegen behielt weiterhin schlagkräftige militärische Verbände in ihrer Besatzungszone unter Waffen1.

Nach der Sowjetisierung zahlreicher osteuropäischer Staaten, dem kommunistischen Staatsstreich in Prag im Februar 1948, der Berliner Blockade 1948, der Explosion der ersten russischen Atombombe 1949, der kommunistischen Einmischung in Griechenland und im Iran sowie dem Einmarsch des kommunistischen Nordkorea in das westlich orientierte Südkorea war das Misstrauen gegenüber der Sowjetunion immer tiefer geworden. Im Westen wuchs die Überzeugung, dass die Sowjetunion eine aggressive, gefährliche Macht geworden sei. Westliche Sicherheitspolitiker waren sich einig, dass die russische expansive Außenpolitik zum Ziel hatte, die kommunistische Ideologie zur Weltherrschaft zu führen.
1950 war der Korea-Krieg ausgebrochen, das kommunistische Nordkorea hatte das westlich orientierte Südkorea überfallen. Die Strategie der atomaren Abschreckung hatte also versagt und den Ausbruch des Krieges nicht verhindern können. Die USA und die Sowjetunion als die beiden Nuklearmächte vermieden zwar jede direkte Konfrontation, unterhalb der globalen Auseinandersetzung zwischen den Großmächten waren sie jedoch in zahlreichen Regionen in „Stellvertreterkriegen“ verwickelt, in denen ihre strategischen Interessen aufeinander stießen.

Ost-West-Konfrontation auf deutschem Boden

Die Bundesrepublik Deutschland konnte in der Bewertung der westlichen Militärexperten Schauplatz eines solchen Krieges werden, da die geopolitische Lage in Deutschland mit der im geteilten Korea durchaus vergleichbar war.
Das Nordatlantische Verteidigungsbündnis, die NATO, sah sich 1950 nicht mehr in der Lage, einen möglichen sowjetischen Angriff mit den in Zentraleuropa verfügbaren Divisionen erfolgreich abzuwehren, zumal Frankreich damals bereits mit starken Kräften in Indochina gebunden war. Die strategischen Planungen sahen deshalb im Falle eines sowjetischen Angriffs vor, Westeuropa zunächst bis zu den Atlantikhäfen und den Pyrenäen aufzugeben. Erst nach dem Eintreffen von Verstärkungen aus Übersee und den Vereinigten Staaten von Amerika sollte dann das verloren gegangene Terrain zurückerobert werden.

Die Angst vor einem erneuten Krieg in Mitteleuropa war dramatisch und löste in der Bundesrepublik eine Welle der Notbevorratung aus. Die NATO und vor allem die USA forderten zur Verhinderung eines Überfalles, wie er Südkorea getroffen hatte, eine substantielle Verstärkung ihrer militärischen Kräfte. Damit eine Verteidigung am Rhein oder weiter östlich überhaupt möglich werden konnte, mussten zusätzliche Heeresdivisionen und Luftwaffengeschwader zu ihrem Schutz in Westeuropa stationiert werden.

Im September 1950 entschieden sich die USA deshalb, vier Heeresdivisionen und 10 Luftwaffengeschwader zur Verstärkung nach Deutschland zu entsenden. Die westlichen Außenminister beschlossen daraufhin, die bisherigen strategischen Rückzugsplanungen aufzugeben, das Territorium der Bundesrepublik Deutschland unter den Schutz der Nato zu stellen und die neue Strategie der „Vorneverteidigung“ einzuführen.2

In der Ausgestaltung der neuen Strategie zog Frankreich einen Teil seiner Truppen aus seiner ehemaligen Besatzungszone in Rheinland-Pfalz ab, ordnete seinen Stationierungsraum neu und stimmte der Stationierung von amerikanischen Truppen in den geräumten Gebieten zu. In Ostfrankreich, Rheinland-Pfalz und Baden wurden in diesem Zusammenhang neben anderen Maßnahmen insgesamt 20 neue Flugplätze für die zusätzlichen Luftwaffengeschwader geplant und gebaut.

Warum ausgerechnet auf Eschbacher Gemarkung?

Bei der Suche nach geeignetem Gelände hatten die alliierten Geographen sicherlich gute Kenntnisse über die Lage der ehemaligen deutschen Feldflugplätze und die ursprünglichen Planungen der Wehrmacht. So muss ihnen bekannt gewesen sein, dass 1940 in der Rheinebene westlich der jetzigen Bundesstrasse 3 zwischen Seefelden und Heitersheim bereits ein Notlandeplatz für die Luftwaffe vorgesehen wurde und dazu eine große Wiese planiert worden war.3 Nach 1945 brauchten die modernen Düsenjäger jedoch wesentlich längere Rollbahnen und größere Einflugschneisen als die meisten Flugzeugtypen des II. Weltkrieges. Die Ebene im südlichen Rheintal auf dem östlichen Ufer des Rheins bot diese Möglichkeiten. Nach Osten wie nach Westen ist der geplante Platz durch die Höhen des Schwarzwalds und der Vogesen geschützt. Er liegt etwa auf halbem Weg zwischen den einzigen Rheinbrücken in der Region bei Neuenburg und Breisach. Gute Straßen- und Eisenbahnverbindungen waren vorhanden. In der Nähe gibt es alte Furten durch den Rhein, die im Kriegsfall von Bedeutung sein können. Selbstverständlich war auch die Entfernung nach Frankreich für die Stationierung eines französischen Geschwaders von entscheidender Bedeutung.

Verhandlungen über die Lage des Platzes

Im Herbst 1951 kursierten die ersten Gerüchte über den möglichen Bau eines Flugplatzes in der Eschbacher Gemarkung.4 Und tatsächlich gab es zu dieser Zeit bereits einen regen, geheimen Briefwechsel zwischen Colonel Barbier von der Französischen Hohen Kommission in Bad Godesberg und dem Amt Blank in Bonn.5 Zunächst planten die Franzosen wegen des Zeitdruckes eine Vergrößerung der in Freiburg vorhandenen Infrastruktur zu einem militärischen Großflugplatz. Gegen diese Absicht wurden von deutscher Seite energische Vorbehalte wegen der Nähe der Großstadt mit ihren Einrichtungen sowie der Universitätskliniken geltend gemacht. Der Deutsche Bundestag wurde ebenfalls mit der Angelegenheit befasst. Nach längerer Diskussion wurde das Vorhaben nicht weiter verfolgt. Stattdessen wurde ein Platz im Raum Bremgarten-Eschbach ins Auge gefasst. Die deutschen Vorschläge, den geplanten Platz in die Rheinschleife nordwestlich von Bremgarten zu verlegen, konnten wegen Bedenken flugtechnischer Art von der französischen militärischen Seite nicht akzeptiert werden. Die Verschiebung des Platzes habe leider verworfen werden müssen, da das im südlichen Zipfel geplante vorgesehene Munitionslager aus Sicherheitsgründen nicht in der Nähe des Ortes Bremgarten und des Gehöfts Weinstetten gelegt werden könne, und das im südöstlichen Zipfel geplante Treibstofflager sich in unmittelbarer Nähe der dort vorgesehenen Flugzeugabstellplätze befinden müsse.6
Wegen der noch eingeschränkten Souveränität der Bundesrepublik und der Vorbehaltsrechte der Alliierten hatten die deutschen Dienststellen nur ein begrenztes Mitspracherecht in der Planung, die durch die französische Mission des grands travaux aéronautiques in sehr hoher Priorität voran getrieben wurde.
Am 28. Dezember 1951 stand fest, dass in Baden drei Flugplätze anzulegen waren, in Lahr, Söllingen und in Bremgarten. Das dafür benötigte Gelände war zu requirieren.7
Der Flugplatz Bremgarten sollte nach neuesten Grundsätzen der NATO für ein Geschwader mit allen erforderlichen Versorgungseinrichtungen einschließlich Wohnraum für die Familien in Freiburg errichtet werden. In Eschbach herrschte große Betroffenheit, der Gemeindewald mit ca. 50 Hektar und etwa 360 Hektar Ackerland mussten abgetreten werden. Das war ungefähr die Hälfte des kultivierbaren Bodens in der Gemeinde Eschbach. Sämtliche Eschbacher Landwirte wurden an der Landabgabe beteiligt, zahlreiche Betriebe standen vor der Existenzfrage. Die umliegenden Gemeinden Grißheim, Bremgarten, Tunsel und Heitersheim waren nur in geringerem Umfang von Enteignungen betroffen. Die weitere Nutzung von einigen landwirtschaftlichen Flächen innerhalb des geplanten Platzes wurde zugestanden.

Bau unter Zeitdruck

Am 9. Januar 1952 rückten die Holzfäller aus Triberg mit Motorsägen an und begannen die Eichen, Eschen und Akazien im Rothläuble zu fällen. Die Bauarbeiten vollzogen sich unter strenger Geheimhaltung, aber in großer Eile. Aus dieser Phase sind keine Fotos oder Schriftstücke überliefert. Von dem zeitgleichen Bau der Flugplätze in der Pfalz, der ähnlich abgelaufen sein muss, wissen wir, dass wegen des großen Bauvolumens und der knapp bemessenen Zeit nur die leistungsfähigen nationalen Unternehmen wie Strabag, Züblin und Holzmann u. a. mit den Arbeiten beauftragt wurden und das klein strukturierte regionale Baugewerbe nicht beteiligt war.8

Die französischen Behörden entwarfen die Pläne teilweise selbst, vergaben die Bauarbeiten an zivile Firmen und führten mit einer eigenen Dienststelle in Freiburg die Bauaufsicht. Die Bauleitung der beiden Firmen Strabag AG aus Köln und der Siemens Bauunion GmbH, München hatte sich im Gasthof „Zum Kreuz“ in Bremgarten eingerichtet. Das requirierte Gelände wurde gesperrt und mit Schildern “Militärische Zone“ und der Warnung „Accès interdit - Zugang verboten“ kenntlich gemacht.

Etwa 800 Arbeiter wurden in schnell errichteten Baracken untergebracht und arbeiteten mit Hochdruck rund um die Uhr.9 Im Bereich der Piste wurden für damalige Verhältnisse riesige Betonmischer eingesetzt, die große Mengen an Material für die 45 Meter breite und fast 3000 Meter lange Rollbahn verarbeiten konnten.

Das Wasserwirtschaftsamt musste zwei kleinere Bäche in dem für die Piste vorgesehenen Gelände umleiten und mit umfangreichen Maßnahmen die Entwässerung des Flugplatzes gewährleisten.
Bereits Ende 1953 konnten die ersten französischen Düsenjäger auf der neuen Piste landen. Im Frühjahr 1954 waren die größeren Bauarbeiten weitgehend abgeschlossen. Alle Einrichtungen entsprachen dem damals modernsten technischen Standard, eine 2990 Meter lange, 45 Meter breite Rollbahn, drei getrennte, große Abstellflächen für drei Flugstaffeln, Hangars, Kontrollturm, Feuerwehr, Verwaltungsgebäude, Munitions- und Betriebsstofflager, Anschluss an das Eisenbahnnetz, Hangars für die Alarmrotten, Offizier- und Unteroffiziermesse, Kino, Sporthalle, Wäscherei, Hundezwinger sowie geräumige Unterkunftsbereiche. Die Wohnungen für die Familien waren rechtzeitig in Freiburg gebaut worden.

Ein französisches Jagdgeschwader richtet sich auf der „Base aérienne 136 de Bremgarten“ ein

Das 4. Jagdgeschwader der französischen Luftwaffe, zuvor in Friedrichshafen am Bodensee stationiert, richtete sich ab dem 2.April 1954 in der neuen Liegenschaft ein. Die 4.Demi- Brigade Aérienne und Base Aérienne d`Opération wurde als Stab in Bremgarten aufgestellt und war als vorgesetzte Dienststelle unter Führung eines Oberst für den Betrieb des Flugplatzes verantwortlich.

Das Geschwader war in drei Staffeln mit je 25 Jagdmaschinen zunächst des englischen Typs Vampire MK V gegliedert.10
Noch im Monat April 1954 liefen die ersten neuen Maschinen des französischen Typs MD 450 Ouragan zu und das Geschwader wurde schrittweise umgerüstet. 1955 war der Platz mit 2394 französischen Soldaten, darunter 137 Piloten, belegt.

Das 4. Jagdgeschwader fühlte sich auf seiner neuen Basis ausgesprochen wohl. Der spätere französische General Michel Forget, damals Hauptmann und Staffelchef im 4. Geschwader, berichtet lobend über die Arbeits- und Lebensbedingungen sowie die hohe Qualität der Einrichtungen des Flugplatzes.11

Der Fuhrpark der Basis war mit neuen, aus deutscher Produktion stammenden Fahrzeugen ausgerüstet worden. Die gute finanzielle Ausstattung erlaubte es der Demi-Brigade, auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine größere Anzahl von Arbeitern und Angestellten zu rekrutieren und sich zu einem bedeutenden Arbeitgeber in der Region zu entwickeln.

Die Familien der Dienstgrade waren in zwei neu gebauten Wohnbereichen in Freiburg/ Haslach untergebracht. Eigene französische Kindergärten und Schulen standen zur Verfügung. Wehrsold und Gehälter waren durch einen Auslandszuschlag erhöht, so dass auch die Familien ein sehr gutes Auskommen hatten. Der Zusammenhalt sowohl im Geschwader als auch unter den Familien wird als sehr eng beschrieben, da man auf dem übersichtlich strukturierten Flugplatz wie in den Wohnbereichen in Freiburg nah zusammenlebte und sich somit gut kannte.

Alles zusammen betrachtet waren die allgemeinen Lebensbedingungen für die in Deutschland stationierten französischen Soldaten und ihre Familien erheblich besser als in vergleichbaren Standorten in Frankreich.

Eschbach arrangiert sich

Die schlimmsten Befürchtungen, die die Bevölkerung 1952 bei der Requirierung der Flächen für den Flugplatz hegte, haben sich im Rückblick glücklicher Weise nicht bewahrheitet. Die Bundesrepublik Deutschland zahlte den Landwirten eine Aufwuchsentschädigung und kaufte ihnen die enteigneten Grundstücke ab. Der Flugplatz entwickelte sich mit einem breiten Angebot zu einem interessanten Arbeitgeber in der Region. Bereits im Jahr 1955 hatten 266 deutsche Angestellte und Arbeiter hier eine neue Arbeitstelle gefunden.12 Örtliche Unternehmen erhielten regelmäßig Aufträge von französischen oder deutschen Dienstellen für Arbeiten auf dem Flugplatz. Darunter sind zahlreiche Firmen aus der Region, deren Namen auch heute noch bekannt sind.13

Entlastung für die verbliebenen Landwirte brachte die notwendig gewordene Flurbereinigung, die einen Strukturwandel für das Dorf einleitete. Kleinere bäuerliche Betriebe verschwanden allmählich, Pferde und Ochsen als Zugtiere wurden immer seltener gesehen und viele ehemalige Landwirte fanden dauerhaft Arbeit auf dem Flugplatz.14 Heute findet sich wieder Wohlstand unter den Bürgern des Ortes.....Etwas Gutes hat der Flugplatzbau doch gebracht: die guten Straßen im Dorf.15

Reger Übungsbetrieb

Die Aufnahme des Flugbetriebs in Bremgarten bedeutete für die Region eine lebhafte fliegerische Übungstätigkeit, zumal die meist sehr jungen Piloten der noch im Aufbau befindlichen französischen Luftwaffe für ihren Auftrag ausgebildet werden mussten, zunächst in Abfangjagd und später in Luft-Bodenunterstützung. Das Geschwader war der NATO unterstellt. Es musste seine Fähigkeiten bei den regelmäßigen Manövern vor alliierten Prüfteams beweisen und hatte einen anspruchsvollen Katalog an Übungen zu absolvieren.

Je nach Witterung wurden in den Jahren 1954/5 in Bremgarten monatlich zwischen 900 und 1200 Flugstunden durch das Geschwader absolviert. Es gab auch damals schon Klagen über Fluglärm und offizielle Gespräche, wie die Belastung für die Bevölkerung zu verringern sei. Der intensive Flugbetrieb führte zwangsläufig zu Zwischenfällen. Mit einer traurigen Regelmäßigkeit kam es immer wieder zu schweren Unfällen, bei denen zahlreiche junge französische Piloten ihr Leben ließen.

Das erste tragische Unglück ereignete am 4. Mai 1954 bei Buggingen. Zwei Jagdflugzeuge des Typs Vampire MK V waren im Vierer-Formationsflug über Hügelheim - Buggingen in niedriger Höhe zusammengestoßen. Da diese Maschinen noch nicht mit einem Schleudersitz ausgerüstet waren, konnten sich die beiden Piloten, Francois Etave und Jackie Seitz, Unteroffiziere der 1. Staffel des 4. Jagdgeschwaders, nicht mehr retten.16 Mehrere Zeitzeugen können sich noch an dieses dramatische Ereignis erinnern. Ich habe einen lauten Knall gehört und anschließend eine schwarze Rauchwolke aufsteigen gesehen. Da musste ich natürlich von Britzingen sofort hineilen. Die Bäume am Wegesrand kurz vor Buggingen waren verbrannt, es roch nach Kerosin und sah schlimm aus. Die Maschinen sind am Süd-Ost-Rand von Buggingen zerschellt. Noch bis Anfang der sechziger Jahre war der genaue Ort durch ein hölzernes Kreuz kenntlich gemacht, berichtet Gerhard Imgraben, später Bürgermeister in Britzingen, der damals mit seinem Motorrad zur Absturzstelle an der heutigen Kreisstrasse 4944 gefahren war.

Am 19.April 1955 gab es in der näheren Umgebung bei Schliengen/ Steinenstadt einen weiteren Absturz eines Düsenjägers des 4.Jagdgeschwaders, von dem ebenfalls heute noch Zeitzeugen zu berichten wissen.17
Mitte der fünfziger Jahre ließ die Einführung von taktischen Atomwaffen in den sowjetischen Streitkräften die Bedrohungslage für den Westen nochmals dramatisch anwachsen. Flugplätze und die dort stationierten Maschinen galten als vorrangige und verwundbare Ziele. Die NATO erhöhte daraufhin ihre Schutzmaßnahmen und veranlasste Vorbereitungen für eine weiträumige Auflockerung der Truppen und des Geräts. Die regelmäßigen Alarmübungen, Fernmeldeübungen sowie Leistungsvergleiche hielten auch die Truppe von Bremgarten in Atem. Es wurde viel experimentiert, insbesondere auch um die vorgesehenen Auflockerungsräume schnell zu erreichen und um Treibstoff und Munition auszulagern. Selbst die Flugzeuge sollten in sichere Bereiche gebracht werden, einzelne wurden dazu sogar auf spezielle Radfahrzeuge verladen.

1956 werden die ersten Piloten aus dem Geschwader zum Einsatz nach Algerien gesandt.
Im gleichen Jahr erhielt das Geschwader den ehrenvollen Auftrag, die „Patrouille de France“, die Kunstflugformation der französischen Luftwaffe für ganz Frankreich zu stellen.
Im Jahre 1957 wurde das Geschwader erneut mit einem neuen Flugzeugtyp, dem amerikanischen Jagdbomber „ Thunderstreak“ F 84F ausgerüstet und sein Auftrag veränderte sich von der Luftverteidigung auf Luftangriff. 1958 wurde als Konsequenz der kriegerischen Auseinandersetzung in Algerien eine Staffel aus Bremgarten abgezogen. Im Jahre 1961 wurde das 4. Jagdgeschwader nach Luxeuil/ Frankreich verlegt und durch das 11. Jagdgeschwader aus Luxeuil ersetzt.
Das 11. Geschwader war mit dem moderneren, leistungsfähigeren Jagdbomber des amerikanischen Typs „Super Sabre“ F 100D ausgerüstet. Dieses Flugzeug konnte eine wesentlich größere Last tragen, hatte eine höhere Reichweite und konnte in der Luft betankt werden. Im Gefolge des Geschwaders wurde eine Spezialeinheit der französischen Luftwaffe, ein commando de l`air, zum Schutz der Einrichtungen nach Bremgarten verlegt. Von 1964 bis 1966 war außerdem die Luftwaffenhubschrauberstaffel EHL 3/23 in Bremgarten stationiert. In seiner Chronik ist zu finden, dass das 11. Geschwader als Auftrag hatte, einen Beitrag an der militärischen Sicherung des freien Zugangs zu Berlin zu leisten und für atomare Einsätze vorbereitet war. Darauf deutet auch die Anwesenheit einer amerikanischen Spezialeinheit in Stärke von etwa 80 Mann von 1962 bis 1966 auf dem Platz hin, die die Sondermunition zu warten und zu bewachen hatte.18

Die politische Entscheidung des französischen Staatspräsidenten General De Gaulle im Jahr 1966, aus der militärischen Integration in der NATO auszuscheiden und in Frankreich keine Lagerung von ausländischen atomaren Waffen mehr zu dulden, hatte die Rückverlegung auch des 11. Jagdgeschwaders nach Frankreich und die Aufgabe des Platzes durch die französische Luftwaffe zur Folge. Gleichzeitig verließen die Stäbe der NATO und die amerikanischen Streitkräfte Frankreich und richteten sich an anderer Stelle neu ein.

Am 13.September 1967 verließ das 11. Geschwader seine bisherige Heimatbasis Bremgarten und verlegte nach Toul/Frankreich.
In einer Übergangsphase bis zum Eintreffen des Vorkommandos des Aufklärungsgeschwaders 51 der Bundeswehr im Mai 1968 verblieben nur noch kleinere französische Einheiten und ein Stab auf dem Platz.

Das Verhältnis der französischen Soldaten zur Bevölkerung

In den Anfangsjahren gab es kaum Berührung der französischen Soldaten mit der Bevölkerung. Kontakte waren zunächst sowohl von der französischen Seite nicht gewollt als auch von der deutschen Bevölkerung nicht besonders angestrebt. Unser Aufenthalt gab uns die Gelegenheit, ein Land und ein Volk kennen zu lernen, das plötzlich vom Erbfeind zum Alliierten geworden war, schreibt General Michel Forget über seine Zeit in Bremgarten. An diesen Worten ist abzulesen, dass sich die französischen Soldaten auch an ihre neuen Verbündeten gewöhnen mussten.
Langsam und mit den Jahren entwickelten sich die Kontakte zur örtlichen Gemeinde. Erstmals zu Weihnachten 1962 lud der Veteranenverein Eschbach 30 Soldaten des Geschwaders in die Familien ein.19 Ab diesem Zeitpunkt begann ein immer zwangloseres und gedeihliches Zusammenleben, das zu vielen engen persönlichen Kontakten zwischen Franzosen und der deutschen Bevölkerung führte.

Was kommt nach dem Abzug der Franzosen?

Die Nachricht vom Abzug der Franzosen beunruhigte die Bevölkerung im Frühjahr 1967 zutiefst, schrittweise waren die Arbeitsplätze gekündigt worden. Übernimmt die Bundeswehr den NATO-Flugplatz? Werden die vorsorglichen Kündigungen rückgängig gemacht? lauteten in Eschbach die besorgten Fragen. Es gab unter den Bürgern sowohl Widerspruch gegen die weitere militärische Nutzung des Platzes als auch Fürsprecher, je nach der persönlichen Betroffenheit! Den Verantwortlichen in Eschbach und den Bewohnern der Gemeinde, die auch den Fluglärm bis dahin zu ertragen hatten, ging es um die zukünftige Entwicklung des Ortes, um Arbeitsplätze und die Kaufkraft der Bürger. Sie sahen manche polemischen Aktionen mit großem Unbehagen. Die Stadt Freiburg, zum Beispiel, hatte beim Bundesministerium der Verteidigung gegen die Stationierung eines deutschen Geschwaders in Bremgarten Protest eingelegt und vorsorglich mögliche Forderungen auf Schadensersatz in Höhe von 25 Millionen DM angekündigt.20
Am 14./15. März 1967 nahm der Führungsstab der Luftwaffe der Bundeswehr eine Besichtigung des Platzes vor und prüfte ihn auf seine Eignung für die Zwecke der Bundeswehr. Es wurde festgestellt, dass Bremgarten über alle einsatzwichtigen Anlagen eines NATO-Flugplatzes verfügt und dass die Einrichtungen einen gepflegten Eindruck machen. Allerdings wurde Bremgarten wohl etwas despektierlich in dem Bericht als ein Einödstandort eingestuft.21
Und trotzdem passierte es dann am 20. Mai 1968: die Luftwaffensoldaten der Vorhut des Aufklärungsgeschwaders 51, die „Immelmänner“, wie die Bevölkerung sie später nannte, richten sich im nun deutsch gewordenen Fliegerhorst Bremgarten in Eschbach häuslich ein.

Gedenksteine erinnern

Es gibt nicht mehr viele Zeugnisse, die an die dreizehnjährige Anwesenheit der französischen Luftwaffe in Eschbach auf dem Flugplatz „Bremgarten“ erinnern. Die Struktur eines ehemaligen Fliegerhorstes wird noch über viele Jahre zu erkennen sein, die früheren Hangars und Gebäude sind noch nicht alle einer neuen, industriellen Bebauung gewichen.

Es mögen insgesamt etwa 20 000 französische, junge Männer und Frauen gewesen sein, die einen Teil ihres Lebens in Deutschland auf dieser Flugbasis verbrachten und deren Familien in Freiburg wohnten. Viele haben hier Freunde gefunden und sind mit erinnernswerten Erlebnissen und nachhaltigen Eindrücken von Deutschland nach Frankreich zurückgekehrt. Einige wenige sind hier geblieben und haben sich in der Region niedergelassen.

Ein Beispiel ist der ehemalige französische Soldat André Fin, der in der Nachbargemeinde Tunsel heiratete. Er hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, eine kleine Gedenkstätte mit zwei Findlingen für den Piloten Denis Bellegarda am Tunsler Sportplatz zu betreuen. Leutnant Bellegarda war am 16. Februar 1962 nach dem Start in Bremgarten mit seiner Super Sabre
F 100D etwa 500 Meter westlich der Tunsler Burghöfe abgestürzt. Das mit Munition beladene Flugzeug war beim Aufschlag auf den Boden sofort explodiert. Es wird vermutet, dass Leutnant Bellegarda seine Maschine noch über das Dorf Tunsel hinweg steuerte und sich deshalb nicht mehr mit dem Schleudersitz retten konnte. Wir mußten damals die Absturzstelle absperren, die Trümmer lagen in weitem Umkreis verstreut, Fotos waren streng verboten, berichtet André Fin, der seit jetzt über 40 Jahren den Gedenkstein pflegt und Kontakt zur Witwe Bellegarda hält.22
Am Fuß des Hochblauen über dem Markgräfler Land, versteckt, oberhalb der letzten Kurve der Bergstrasse, von wo man bei guter Sicht nach Bremgarten blicken kann, steht ein weiterer Gedenkstein. Er erinnert an Sergent Marcel Cottin und seinen Kameraden Jacky Frouin, die mit einem Hubschrauber des Typs Sikorsky H34 der Staffel EHL 3/23 aus Bremgarten am 4. Mai 1964 tödlich verunglückten.
Das historische Kapitel des Kalten Krieges ist geschlossen, die Erinnerung an eine für alle schwere Zeit bleibt. Nicht nur in Eschbach und auf dem Flugplatz Bremgarten, auch in vielen weiteren Garnisonen wachten damals mehrere Generationen von alliierten und später auch deutschen Soldaten über die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und die freien Zugänge nach Berlin. Sie haben in hoher Motivation damals persönliche Entbehrungen auf sich genommen und ihren Dienst mit großer Hingabe geleistet. Etliche von ihnen mussten dabei ihr Leben auf deutschem Boden lassen, darunter auch zahlreiche französische Soldaten aus Bremgarten, wie diese Gedenksteine den nachfolgenden Generationen berichten.

 

 

1  Die Sowjetunion hielt 1950 nach westlicher Einschätzung ca. 3,5 Millionen Soldaten unter Waffen, östlich der Elbe standen davon ca. 150-175 Divisionen, eine russische Division war damals etwa ein Drittel kleiner als eine Heeresdivision der westlichen Armeen.
2 Erst mit der Aufstellung der Bundeswehr ab 1955 und der Einsatzfähigkeit der ersten deutschen Heeresdivisionen wurde die NATO in die Lage versetzt, konkrete und realistische Verteidigungsplanungen an der Ostgrenze der Territorium der Bundesrepublik umzusetzen.
3 Interview mit Herrn Imgraben, Gerhard, Britzingen, am 23.08.2007; er berichtete, dass es ihm als jungem Burschen 1940 gelungen war, einen zwischen Seefelden und Heitersheim notgelandeten zweimotorigen, mittleren Bomber des Typs Dornier Do 17 der Luftwaffe zu fotografieren.
4 Gemeindearchiv Eschbach, Pfarrer Enderle, Eschbacher Chronik, aufgeschrieben am 28.09.1981
5 Die offizielle Bezeichnung für das so genannte Amt Blank lautete Dienststelle des Bevollmächtigten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen
6 StAF C5/1, Nr. 3495, Bundeskanzleramt, Bonn, Az. U II 3-8910-01-1964 geh. vom 28.Dezember 1951
7 Eine ausführliche Darstellung der Beschlagnahmung des Geländes, der Entschädigung und der ersten Kontakte mit französischen Soldaten: s. Eschbach, Lebenslauf eines Dorfes, 1993, Dr. Ursula Huggle, S. 274ff.
8 Rothenberger, Karl-Heinz, Der Ausbruch des Korea-Krieges 1950 und die Aufrüstung der Pfalz zur Waffenkammer der NATO, in Pfälzer Heimat, Jg.55 Heft 3, 2004, S. 94-101
9 In der Ausgabe vom 4.Februar 1952 berichtet die Badische Zeitung vom Flugplatzboom und dem Rückgang der Arbeitslosigkeit bei Männern im Landkreis um 370 Stellen im Vergleich zum Vorjahr.
Die Industrie- und Handelskammer Freiburg kündigte in ihrer Pressekonferenz am 28.Januar 1952 besondere Maßnahmen wegen des massierten Bedarfs an Hilfskräften für den Flugplatzbau an ( Bericht Badische Zeitung 31.01.1952).
10 Die 4. Escadre de Chasse gliederte sich in drei Staffeln: EC 1/4 Dauphiné, EC 2/4 La Fayette und EC 3/4 Flandres.
11 Général Forget, Michel, Guerre froide et guerre d'Algérie, 1954-1964, témoignage sur une période agitée,
S. 22ff.,Paris, 2002
12 Service historique de la Défense, Département de l`armée de l`air, Château de Vincennes, 60 E 942, Inspektionsbericht des Inspecteur Général de L`Armée de l`Air Nr. 188 vom 12.4.1955, : hier wird auch über die Qualität der Einrichtungen geurteilt: la base est particulièrement bien équippée, les moyens permettent la pratique des sports (stade, gymnase, tennis, piscine) - der Stützpunkt ist besonders gut ausgestattet, die Einrichtungen ermöglichen sportliche Betätigung ( Sportplatz, Turnhalle, Tennisplatz, Schwimmbad).
13 Im Archiv der französischen Luftwaffe, Château de Vincennes sind Rechnungen erhalten z.Bsp. von der Hartheimer Firma Franz Knobel, der Fa. Lakus und Selz aus Grissheim, der Fa. Heckle aus Bad Krozingen u.a.
14 Vergl. Pfarrer Enderle in der Eschbacher Chronik
15 Gemeindearchiv Eschbach, Broschüre des Musikvereins Eschbach zum 70-jährigen Stiftungsfest 1959, S. 13
16 In der Unfallstatistik der französischen Luftwaffe sind ab 1954 der Ort Bremgarten und andere südbadische Ortsnamen in Verbindung mit den 4. und 11. Jagdgeschwadern mehrfach zu finden, Service historique de la défense, Départment de l`armée de l`air, Vincennes, carton 100 E 1626, Unfallbericht Nr. 4601 EMFA/A/3.S.AE vom 15.7.54
17 Interview mit Herrn Tröndlin, Klaus aus Schliengen am 30.08.2007; er berichtete, dass er aus der Ferne den Absturz beobachtet hatte und mit anderen Jungen zur Unfallstelle gelaufen war.
18 Service historique de la défense, Départment de l`armée de l`air, Château de Vincennes, Petit atlas des installations de la Base aérienne 136, Bremgarten
19 Gemeindearchiv Eschbach, Vereinsgeschichte Eschbach, Veteranenverein, S. 4.
20 Badische Zeitung vom 7.10.1968, Artikel „Die Einflugschneise führt über Freiburg“
21 Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg, BL 1/4783, Fü L II 3, Az.: 45-10-31-05 vom 17. März 1967
22 Badische Zeitung vom 13.11.1999, Artikel „Dank an einen französischen Piloten“